Quelle/Autor: Kai Lehmann
Vive Berlin ist seit 2009 eine regional verwurzelte und von von engagierten Stadtführenden selbständig gegründete und entwickelte Genossenschaft. Wir haben in knapp 10 Jahren über 40.000 Stadtführungen erfolgreich durchgeführt und mehr als 250.000 begeisterte und dankbare Gäste durch Berlin und Umgebung begleitet. Unsere vielfältigen Touren zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit dem Bus und dem Auto finden mittlerweile in acht Sprachen statt und stehen regelmäßig an allen Tagen im Jahr zur Verfügung, um allen Menschen unsere Stadt zu zeigen: Berlin.
Drei Prinzipien zeichnen das Besondere unserer Genossenschaft und unserer Leistungen aus: Originalität, Exzellenz und Verlässlichkeit. Wir wollen Berlin nicht einfach zeigen, sondern vielmehr unsere Gäste an alten und neuen Veränderungen teilhaben lassen, diese Stadt gemeinsam erleben und verständlich machen. Wir empfinden unsere Arbeit als die inhaltliche Vermittlung von historischen Zusammenhängen, als Bildung in aufklärerischer Tradition, weil wir der Auffassung sind, dass Berlin und seine Geschichte die einmalige Gelegenheit bieten, sich mit der deutschen und europäischen Geschichte des 20.Jahrhunderts und unserer Gegenwart insgesamt auseinanderzusetzen.
Alle unsere Mitglieder aus 15 verschiedenen Nationen sind mindestens zweisprachig und sehen in ihrer Arbeit einen Beruf mit Leidenschaft und nicht nur einen Job, eine „Berufung“ mit hohen Ansprüchen an Qualität und Individualität. Bei uns werden Sie keine Standardvorträge mit Bücherwissen präsentiert bekommen, sondern persönliche Perspektiven von engagierten Berlinern, basierend auf profunder Faktenkenntnis und Liebe für unsere Stadt. Wir geben diese Leidenschaft, welche sich letztlich in dieser außergewöhnlichen Berufswahl widerspiegelt, weiter und teilen durch unsere Arbeit unsere ganz eigene Faszination für unser Berlin mit allen unseren Gästen. Und darauf kann man sich hundertprozentig verlassen: Wer sich am Treffpunkt einfindet, ob mit oder ohne Vorankündigung, weiß, die gewünschte Tour findet statt, bei welchem Wetter auch immer.
Realisiert wird diese Verlässlichkeit durch unsere Mitglieder und ihre eigene Motivation, als Selbständige im Rahmen eines kollegialen, fairen Austauschs und Umgangs miteinander langfristig für das Wohl unserer Gäste zu kooperieren. Gemeinsames Auftreten am Markt und zentraler Einkauf von Dienstleistungen ist dabei nur ein Teil der Geschichte. Unser Wissen innerhalb der einzelnen Sprachenteams wird geteilt in unserer winterlichen Vive-Akademie und bei gegenseitigen Probeführungen neuer Themen und Ideen getestet. Unser Einkommen teilen wir mit Partnern und Kollegen nach einem gemeinsamen Pool-System, aus welchem sich am Monatsende über erworbene Punkte erst der individuell erzielte Gewinn ergibt. Unsere Entscheidungen werden dezentral in Teamsitzungen gefällt und über regelmäßige Delegiertensitzungen mit dem Vorstand abgestimmt und umgesetzt.
Hierin liegt meines Erachtens die größte Errungenschaft unserer Genossenschaft – neben der Minimierung von individuellen, finanziellen Risiken bezüglich Wetter, Saison und Krankheit eine Organisationsform entwickelt zu haben, die tatsächlich Teilhabe von selbständigen Unternehmern und Partnern fördert und lebt. Diese Teilhabe motiviert – oft stellen sich unsere Stadtführenden ihren Gästen mit den Worten vor: „Hier führt sie Frau Chef persönlich!“
Alle unsere Mitglieder haben weiterhin starke biographische Bindungen in Berlin, sei es, weil sie hier geboren sind, oder weil sie schon lange hier leben (mindestens 12 Jahre). Wir verstehen uns aus genau diesem Grund als regionaler Player mit explizit fairem Umgang zu unserem Wohn- und Lebensmittelpunkt. Es bedeutet für uns einen Unterschied, ob man zum Beispiel den Bezirk Kreuzberg mit jemandem besucht, der vielleicht gerade mal zwei, drei Jahre in der Stadt ist, oder mit einem Einheimischen, der die Händler der Markthalle IX persönlich kennt; oder auch die Bedeutung der Berliner Mauer durch einen Guide erfährt, der selbst über die Mauer geflohen ist. Wir wissen aus Erfahrung: die emotionale Beziehung zur Stadt Berlin kann man nicht einfach lernen – und diese Stadt braucht zunehmend einen fairen Modus ihrer Präsentation. Wir klären unsere Gäste über Brennpunkte auf und ja, wir zeigen nicht ALLES.
Ein kleines Beispiel für unsere enge Bindung an Berlin befindet sich in einer kleinen Straße in der Stadtmitte, die sich durch unser Engagement für immer verändert hat. Es begann mit einer Vive Berlin-Stadtführung in der Spandauer Vorstadt. Das daran anschließende Projekt unter unserer tatkräftigen Mitwirkung brachte schließlich 23 Familienmitglieder aus drei Kontinenten zusammen. Unter ihnen befand sich auch ein Überlebender des Holocaust, der letztlich mit 90 Jahren an seinen Geburtsort zurückkehrte und mit uns einige der Orte besuchte, an denen er seine Kindheit verbracht hatte. Dort wurden 2017 schließlich sechs Stolpersteine im Gedenken an seine Familie verlegt.
Berlin ist schlicht und einfach unsere eigene Heimat und nicht nur eine Kulisse für spannende Geschichten.