Leben des Genossenschaftspioniers
Der Sozialreformer, Jurist und Politiker wurde am 29. August 1808 in Delitzsch bei Leipzig geboren und gilt als Begründer der Produktivgenossenschaften und Wegbereiter einer genossenschaftlichen Kreditwirtschaft in Deutschland. Er initiierte zudem das heute noch gültige Genossenschaftsgesetz und gründete den ersten Genossenschaftsverband.
Wie sein Vater studierte er Rechtswissenschaften und wirkte, nach verschiedenen juristischen Zwischenstationen, von 1841 bis 1849 als Patrimonialrichter mehrerer Rittergutsbezirke in seiner Geburtsstadt. Diese Tätigkeit konfrontierte ihn mit den Problemen der Handwerker, die unter der Industrialisierung, Technisierung und schließlich auch unter dem Wegfall des Zunftzwanges litten.
Engagement in Gesellschaft und Politik
Sein soziales Engagement führte ihn nach der Gründung eines Hilfskomitees in Folge einer Hungersnot im Jahr 1846 schließlich in die Politik. Als linksliberaler Abgeordneter der Kreise Delitzsch und Bitterfeld war er ab 1848 Mitglied der Preußischen Nationalversammlung und nahm vor diesem Hintergrund auch den Namen „Schulze-Delitzsch“ an.
Seine Initiativen führten am 1. Dezember 1849 u. a. zur Gründung der Schuhmacherassoziation in der Delitzscher Kreuzgasse 10, dem heutigen Genossenschaftsmuseum. Aus diesen ersten Zusammenschlüssen gelang ihm die Entwicklung der Genossenschaft als unternehmerische Rechtsform. Damals aufgestellte Prinzipien wie Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung bilden bis in die Gegenwart die Grundlage für solidarisches und von staatlichen Transferleistungen unabhängiges Wirtschaften.
Im Jahr 1861 gehört der Genossenschaftspionier zu den Mitbegründern der Deutschen Fortschrittspartei und siedelt mit seiner Familie nach Potsdam über, um im nahen Berlin als Landtags- und ab 1867 als Reichstagsabgeordneter für seine Ideen eintreten zu können. Dabei engagierte er sich besonders für demokratische Grundrechte und die Überwindung der Kleinstaaterei.
Tod und Gedenken
Hermann Schulze-Delitzsch verstarb hochgeachtet am 29. April 1883 und fand seine letzte Ruhe auf dem Alten Friedhof in Potsdam. Bereits 1878 hatte ihm die Universität Heidelberg im Hinblick auf sein genossenschaftsrechtliches Wirken ehrenhalber zum Doktor der Rechte befördert. Seine Heimatstadt Delitzsch weihte ihm 1891 ein Denkmal auf dem Marienplatz. In vielen Städten wurden Denkmäler, Plätze und Straßen dem Genossenschaftsgründer gewidmet.